War Jesus Antisemit?

Tempelberg Jerusalem
Der Tempelberg in Jerusalem: Heiliges Zentrum der Monotheisten (Foto:wikipedia)

Jesus Bücher gibt es massenhaft. Die meisten bewegen sich in einem bewusst religiösen Fahrwasser. Nur wenige setzen sich mit den ursprünglichen Quellen auseinander. Eine rare Ausnahme bildet das im Corona-Lockdown erschienene „Jesus trifft Buddha“ als „Das atheistische Evangelium“. Verfasst von einem Anonymus Karl Kolm, der Jesus Kampf gegen ein versteinertes Judentum so bringt, wie Jesus das laut den Evangelien möglicherweise selbst erlebt hat. Der in einer Neuübersetzung der Evangelien dessen kurze Schaffensperiode in eine zeitlich logische Abfolge bringt. So entsteht plötzlich ein Mensch aus Fleisch und Blut, der gegen ein schon damals veraltetes Gottesbild ankämpft. Der erkannt hat, dass Religionen zwar ein Segen, aber auch ein Fluch sein können.

Moses und die 10 Gebote
Moses mit den 10 Geboten (Rembrandt, Berlin)

In einem monotheistischen Weltbild gibt es nur einen Gott – und der duldet keine anderen Götter neben sich. So steht es in der Thora, in den zehn Geboten, im zweiten und fünften Buch Moses: „Ich bin Jehova, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.

Eine damit verbundene Geschichtsschreibung – etwa die des Alten Testaments – wird stets zum Aufbau von Feindbildern genutzt. Zur Glorifizierung von Siegen du zur Denunziation von „Gegnern“. Um damit Gesetze und Vorschriften zu rechtfertigen, die Andersdenkende ausgrenzen. Als Mechanik der „Identitätsverhärtung“ zur Schaffung feindlicher und feindseliger Differenzen. Mit allenfalls auch militärischen Konsequenzen, die dann als „göttliche“ oder „historische“ Notwendigkeit gerechtfertigt werden.

Auserwähltes Volk?

Jesus erkannt die Problematik eines „auserwählten Volkes“. Von der Einteilung der Menschen nach religiösen oder phänotypischen Kategorien. Eine Einteilung, die dann an eine Werteskala gekoppelt wird – wozu bräuchte man sonst solch eine Typisierung? Mit ethnischen, rassischen oder religiösen Differenzen? Jesus bekämpfte eine Theokratie faschistoiden Zügen, die heute den Mullahs in Teheran als Vorbild gedient haben könnte. Mit einem Gott, der keine anderen Wahrheiten als die von ihm verkündeten duldet. Jesus wusste: Es wird immer wieder irgendwo irgendwelche Führer,  Priester und ähnliche Propheten wie Moses oder Judas Makkabäus geben, die von oben geoffenbarten alleinigen Wahrheitsansprüchen schwärmen und die Massen begeistern – die dann bereit sind, dafür fanatisiert in Kriege zu ziehen.

Rassenkunde des Judentums
Hitlers Rassenkunde im 3. Reich

Was Jesus in dieser Evagelienharmonie möglicherweise vorschwebte, war ein Leben in einer künftigen posttheologischen Zeit. In einer Lebenswelt ohne Ab- und Ausgrenzung. In einem Staat sittlich gleichberechtigter Bürger. In der der Mensch gilt, weil er in diesem Sinne Mensch ist, nicht weil er Katholik, Jude oder Mohammedaner ist. Sein Ziel war die Überwindung aller historischen Diskriminierungen auf Basis Sippe, von Rasse, Ethnie oder Kultur – und den damit verbundenen gesinnungsethischen Überlegenheitsdünkel solcher „Auserwählter“.

Jesus predigte  die Säkularisierung von Kulturen und Religionen. Die auf das zu reduzieren sind, was sie im Grunde sind: Folkloristisches Brauchtum, das – wie etwa damals im römischen Reich – ohne fundamentalistische Religionsformen eine Vielzahl von „Kulturen“ und „Religionen“ nebeneinander ermöglichte. Mit einer Privatisierung des Religiösen – wie sie moderne Demokratien auch heute anstreben (sollten). Im Rahmen eines laizistischen, multireligiösen Rechts- und Verfassungsstaates, der jedem autonomen Individuum genügend Spielraum für seine Lebenswelt lässt.

Was ist Glück?

Isis als Gottesgebärerin
Die Göttin Isis als Gottesgebärerin

Kolm’s Evangelium bringt Jesus Vorstellung von einem Leben in einer Gemeinschaft, in der sich jeder freie Mensch aussuchen kann, welche Sitten und Gebräuche ihm passend erscheinen – ohne dabei das Zusammenleben der Gemeinschaft zu zerstören. In einer nach dem Partizipationsprinzip organisierten Gesellschaft, die ihre Ideale durch Überzeugung an Stelle von Gewalt, Gesetz und sonstigen Zwangsmitteln durchsetzt. Mit einer Redimensionierung des Materialismus und ohne letztbegründende Wahrheitsansprüche.

Plato - Ikone aller Philosophen
Plato: Ikone aller Philosophen

Ohne feste Regeln und Vorgaben für das „richtige“ oder „gute“ Leben. Nicht irgendeine „Wahrheit“ ist das Ziel, sondern im Sinne Buddhas die Vermeidung von Schmerz, die Vermeidung von Grausamkeiten. Was ist das „Glück“? Jesus zeigt seinen Jüngern: Der Weg zum „Glück“ führt über die Selbstbestimmung des Menschen – ohne Gefühlshumanismus hin zu dessen Eigenverantwortung. Weshalb Jesus die Frau am Brunnen fragt: Glaubst Du, dass du dich selbst befreien kannst? Und sie ist überzeugt: Ja, ich glaube.

Jesus konnte schon auf die Lehre von Platon und Sokrates zurückgreifen,, dass ein solches Ziel prinzipiell erreichbar ist: Ziel der Gesellschaft ist die Verminderung von Unannehmlichkeiten, die mit dem Zusammenleben verbunden sind. Mit dem Recht, dafür auch das eigene Land oder die eigene Gemeinschaft zu verlassen. Allerdings verbunden mit dem Risiko, anderswo oder nirgendwo willkommen zu sein.

Illusion der Toleranz

Die Praxis des 20.Jahrhunderts hat gezeigt, dass Religionen und Ideologien der Selbstverantwortung des Menschen diametral gegenüberstehen. Der uns von diesen gepredigte Dialog ist eine Illusion, die Toleranz monotheistischer Religionen ist eine Illusion. Die aus diesem Gedankengut resultierende evolutionäre Entwicklung zeigt in immer wiederkehrender Reihenfolge: Die Herrscher werden zum Opfer, die Opfer werden zu Herrschern. Ausgelöst durch die politische Mobilisierung von Religionen und Ideologien, bei der die Andersdenkenden zu Verlierern und diese stets zu Flüchtlingen – zu  Exilanten – werden. Die dann anderswo bei Andersdenkenden das Gefühl der Verwandtheit, Gegenseitigkeit und Geborgenheit suchen.

Revolution
Französische Revolution, Gemälde von  Delacroix

Manchmal geht diese Entwicklung revolutionär, eruptiv und schnell. Aus den Trümmern entsteht eine neue Weltordnung. Manchmal zieht sich das still und schleichend dahin. Im Zuge einer Aufklärung, die dann wieder von einer barbarischen Gegenaufklärung abgelöst wird. Geprägt von Kulturen, die stets für sich von einer ethischen oder religiösen Über- und Unterordnung ausgehen.

Hadere: Jesus Geburt
Gerhard Hadere: Das Leben Jesus – Der Erleuchtete

Geprägt von einem Fundamentalismus und Religions- und Kulturdünkeln, bei denen die „Höheren“ im Sinne eines evolutionären „Fortschritts“ stets den Drang haben, die Welt zu beherrschen, zu verbessern oder zu retten. Wie auch Buddha zu seiner Geburt prophezeit wurde: Er werde ein Weltbeherrscher oder ein Welterlöser werden. Oder wie viele Christen zu Weihnachten singen: „Christ der Retter ist da!

Salvator Mundi
Salvator Mundi – Retter der Welt

Wer mehr darüber wissen will, der kann „Jesus trifft Buddha – das atheistische Evangelium“ in jeder Buchhandlung oder auf allen großen Internetplattformen kaufen. Wer eine Rezension darüber verfassen will, kann beim Berliner Verlag Frank & Timme (www.frank-timme.de) ein Rezensionsexemplar anfordern.

 

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